April 14, 2023

Öffentlicher Brief an Frau Bundesministerin Faeser: Grenzkontrollen einstellen!

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Faeser,

die Reisefreiheit stellt ein zentrales Herzstück der Europäischen Union dar. Der Schengen-Vertrag ermöglicht es den Menschen seit dem Jahr 1985 ohne Einschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten reisen zu können. Schlagbäume und Grenzzäune gehören seither der Vergangenheit an. Die Europäische Union hat die Kleinstaaterei beendet und einen gemeinsamen Raum der Freiheit geschaffen. Das ist – vor dem Hintergrund der blutigen gemeinsamen Geschichte seiner Staaten – ein Erfolg des Friedensprojekts Europa und ein Versprechen für die Zukunft unserer Kinder.
Wie Sie wissen, finden unter dem Eindruck der vielen Schutzsuchenden, die im Jahr 2015 vor dem grausamen Krieg in Syrien geflohen sind, an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich stationäre Grenzkontrollen statt. Diese, rechtlich nur als Ausnahme und für einen eng begrenzten Zeitraum erlaubten Einschränkungen, werden seither immer wieder verlängert. Mit jeder weiteren Verlängerung wird die Reisefreiheit der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger drastisch geschwächt.

Gleichzeitig sind die Grenzkontrollen völlig ungeeignet, um das Versagen der europäischen Union in der Migrationspolitik zu überdecken. Wir brauchen dringend eine faire und humanitäre Migrationspolitik, die eine gerechte Aufteilung der Verantwortung zwischen den EU-Mitgliedstaaten, gemeinsame hohe Standards bei den Asylverfahren und humane Aufnahmebedingungen garantiert und ernsthafte Fluchtursachenbekämpfung betreibt. Wer jedoch illegal nach Deutschland einreisen möchte, dem ist mittlerweile klar, dass er nicht die Autobahn über Kufstein nehmen darf!

Unsere Polizei ist zudem keineswegs hilflos gestellt mit illegaler Migration umzugehen und Schleuserkriminalität zu bekämpfen. In Bayern findet im Grenzraum zu Österreich und Tschechien eine breite und ausgedehnte Schleierfahndung statt. Die Polizeieinheit ist personell und materiell überdurchschnittlich gut aufgestellt und umfasst mittlerweile 800 Einsatzkräfte. Die stationären Grenzkontrollen an der Grenze zu Österreich sind dagegen reine Symbolpolitik, die die Menschen im Land täglich belastet – die Kriminalität aber nicht eindämmt.

Wir in Bayern erleben vor Ort das Ergebnis dieser Fehlentscheidungen: An den Grenzen bilden sich kilometerlange Staus. Menschen, die im Grenzgebiet pendeln müssen, verbringen viel unnötige Lebenszeit im Auto. Anwohnerinnen und Anwohner, der Warenverkehr, Urlaubsreisende – alle müssen sich bei jedem Grenzübertritt den stationären Grenzkontrollen und den damit einhergehenden Verzögerungen stellen und diese erdulden. Auch der Bahnverkehr wird massiv durch die Kontrollen an Grenzbahnhöfen gestört. Die gute Verbindung der beiden Nachbarländer Deutschland und Österreich, die einen nachhaltigen Grenzverkehr ermöglicht, leidet langfristig unter der Unzuverlässigkeit durch Verspätungen und Zugausfällen.

Wie Sie wissen, sind diese Kettenverlängerungen von keiner Rechtsgrundlage gedeckt: Der Europäische Gerichtshof hat im letzten Jahr in einem vergleichbaren Verfahren gegen Österreich entschieden, dass diese Grenzkontrollen maximal sechs Monate dauern dürfen. Sie ständig zu verlängern ist rechtswidrig. Auch Deutschland bricht somit fortgesetzt europäisches Recht. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand, in gleichem Ausmaß schädlich für das Ansehen der Europäischen Union und für den europäischen Gedanken.

Vor diesem Hintergrund appellieren wir an Sie:

  • Beenden Sie die rechtswidrige Kettenverlängerung der Grenzkontrollen an der Grenze zu Österreich!
  • Setzen Sie das Schengen-Abkommen für Deutschland – so wie es im Koalitionsvertrag verabredet ist – wieder in Kraft!

Mit freundlichen Grüßen

Leon Eckert, MdB
Katharina Schulze, MdL