Juli 21, 2023

FAQ zur Krankenhausreform

Kernelemente der Reform in aller Kürze

  • Mehr Verlässlichkeit: Im Durchschnitt 60 Prozent ihrer Erlöse bekommen die Krankenhäuser künftig durch ein so genanntes Vorhaltebudget. Dieses Budget wird den Krankenhäusern weitgehend unabhängig von der Fallzahl, also der Anzahl behandelter Patient*innen, garantiert. Dadurch wird der Anreiz für die Kliniken gesenkt, immer mehr Leistungen zu erbringen, um das vorzuhaltende Personal sowie die Ausstattung zu refinanzieren. Die Fallpauschalen bleiben zwar erhalten, spielen aber eine deutlich geringere Rolle. Das Vorhaltebudget soll den Krankenhäusern unbürokratisch ausgezahlt werden.
  • Mehr Qualität: Künftig können Krankenhäuser nur die Leistungen erbringen, für die sie das notwendige Personal und die nötige Ausstattung vorhalten. Dazu werden bundeseinheitliche Leistungsgruppen definiert. Den Leistungsgruppen sind jeweils Anforderungen an Personal und Ausstattung hinterlegt. Die Länder weisen die Leistungsgruppen bis spätestens Ende 2025 den Krankenhäusern zu. Der Medizinische Dienst (MD) überprüft, ob die Krankenhäuser die Anforderungen erfüllen. Die Leistungsgruppen werden regelmäßig überprüft und durch Bund und Länder gemeinsam weiterentwickelt.
  • Mehr Transparenz: Der Bund wird per separatem Gesetz eine Regelung treffen, die eine Darstellung der Leistungen und der Qualität der Krankenhäuser ermöglicht und so Transparenz für die Patient*innen schafft. Sie sollen schnell erkennen können, welches Krankenhaus welche Leistungen zu welcher Qualität erbringt.
  • Stärkung ländlicher Räume: Insbesondere für ländliche Räume wird eine neue Form von sektorenübergreifenden Versorgern (Level 1i-Krankenhäuser) ermöglicht. Das sind Häuser, in denen kürzere stationäre Aufenthalte, kleinere Eingriffe sowie auch ambulante Behandlungen stattfinden können. Auch pflegerische Leistungen wie etwa die Kurzzeitpflege können hier angesiedelt werden. Somit bilden diese Krankenhäuser gemeinsam mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften künftig das Herz der regionalen Gesundheitsversorgung.

Warum ist eine Reform wichtig?

Unser Krankenhauswesen ist selbst zum Patienten geworden. Deutsche Kliniken leiden unter einem Vergütungssystem, das falsche Anreize setzt und die Krankenhäuser in ein ökonomisches Hamsterrad mit immer mehr Leistungen zwingt. Der Blick auf das Patientenwohl geht zunehmend verloren und schlechte Arbeitsbedingungen heizen den Fachkräftemangel an. Ohne eine umfassende Finanzierungsreform bewegen sich die deutschen Krankenhäuser in eine immer größer werdende Krise und wir riskieren ein unkontrolliertes und langsames Sterben vor allem kleinerer, im Zweifel versorgungsrelevanter Kliniken. Die Reform ist Medizin für unser Krankenhauswesen!

Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, mit einem großangelegten Reformprozess das zuletzt 2003 reformierte Krankenhausfinanzierungssystem zu überarbeiten. Das Fallpauschalensystem (DRG-System), wonach die Anzahl der Krankenhausfälle maßgeblich die Erlöse eines Krankenhauses bestimmt, hatte in den letzten Jahren zunehmend zu einer fehlgeleiteten Ökonomisierung der stationären Versorgung in Deutschland geführt. Deshalb soll das bisherige System der Betriebskostenvergütung der Krankenhäuser „um ein nach Versorgungsstufen […] differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen“ (Koalitionsvertrag 2021) ergänzt werden. Das bedeutet erstens, dass über Strukturvorgaben die Versorgung besser gesteuert sowie die Qualität verbessert werden soll, während gleichzeitig über ergänzende Vorhaltepauschalen der ökonomische Druck in der medizinischen Behandlung herausgenommen wird und über den Bevölkerungsbezug sichergestellt werden kann, dass nicht ausgerechnet dort ein Klinikstandort aus wirtschaftlichen Gründen wegbricht, wo er bedarfsnotwendig ist. Als Diskussionsgrundlage zur Erarbeitung von Eckpunkten dienen dabei die Vorschläge einer extra eingerichteten, wissenschaftlichen Expert*innen-Kommission der Bundesregierung. Die Kommission besteht aus Expert*innen u.a. aus den Bereichen Versorgungsforschung, Gesundheitsökonomie, Ärzteschaft und Pflege.

Was sind Gründe für die zugespitzte Lage an deutschen Kliniken?

Krankenhäuser – der deutsche Sonderweg
Deutschland hat im Vergleich der OECD-Staaten mit die höchste Zahl an Krankenhausbetten. Heute können viele medizinische Leistungen ambulant oder teilstationär erbracht werden, die früher einen stationären Aufenthalt erforderlich machten. Nirgendwo ist der Anteil stationärer Leistungen an allen Krankenhausleistungen aber so hoch wie in Deutschland. Dies wird anhand des Kostenanteils für stationäre Behandlungen an den Gesamtkosten im Krankenhaus deutlich: Deutschland 94%, OECD-Durchschnitt 64 % (Quelle, S. 203). In vielen anderen Ländern sind Krankenhäuser längst zu Kompetenzzentren mit einem vielfältigen ambulanten, teilstationären und stationären Leistungsangebot geworden. Außerdem weist Deutschland sehr viele kleine Krankenhäuser mit eingeschränktem Leistungsspektrum auf. Insbesondere in Metropolregionen und größeren Städten besteht oft ein Überangebot an Krankenhausstandorten. In Deutschland könnte auf einen nicht unerheblichen Teil der Krankenhäuser und Betten verzichtet werden, wenn die Bedingungen für ambulante und teilstationäre Versorgungsformen verbessert würde. Demgegenüber gibt es in etlichen ländlichen Räumen zunehmend auch Unterversorgung.

Krankenhausfinanzierung – ein weiterer Sonderweg
Die Krankenhausfinanzierung erfolgt in Deutschland nach dem Prinzip der “dualen Finanzierung”. Für die Krankenhausplanung, also die Bedarfe der regionalen Betten- und Leistungskapazität, sowie die Investitionskosten (z.B. Neubau oder Sanierung) der Krankenhäuser sind die Länder zuständig. Die Betriebskosten werden seit rund 20 Jahren fast ausschließlich über Fallpauschalen bezahlt, die Mittel dafür kommen von den Kostenträgern, also gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Der Finanzierungsanteil über Fallpauschalen (DRG-System) ist in Deutschland besonders hoch. Die in der Regel sehr hohen Vorhaltekosten, die insbesondere kleinere Krankenhäuser anhand von leistungsbezogenen Fallpauschalen kaum kompensieren können, werden nicht extra finanziert. Dies hat zu starken Fehlanreizen hin zu Fallzahlsteigerungen und zu „lukrativen“, meist operativen und interventionellen Leistungen geführt. Ökonomische Zwänge stehen daher allzu oft in Konkurrenz zu gesundheitlichen Erwägungen. Die Missstände reichen von nicht immer erforderlichen Eingriffen bis hin zu verfrühten Entlassungen. Für alle Beschäftigten im Krankenhaus ist ein Hamsterrad-Effekt mit starkem Leistungsdruck entstanden. Verschärft wurde dieser Effekt durch die seit Jahrzehnten zu niedrige Investitionsfinanzierung durch die Länder. Das Finanzierungssystem der Krankenhäuser bedarf daher einer dringenden Reform.

Personalmangel
Die Kliniken leiden an einem erheblichen Mangel an Fachkräften. In den Krankenhäusern können aktuell viele Stellen, v.a. in der Pflege, aber auch bei Ärzt*innen und anderen Gesundheitsberufen, nicht besetzt werden. Im internationalen Vergleich ist die Anzahl von Pflegekräften und Ärzt*innen pro Einwohner in Deutschland zwar sehr hoch, bezogen auf die im Krankenhaus behandelten Patientinnen ist sie jedoch – bedingt durch die hohe Zahl an Krankenhauspatient*innen und Krankenhausstandorte – niedrig. Als Folge dessen wird das Personal im Krankenhaus mental und körperlich stark belastet. Diese starke Beanspruchung ist v.a. in der Pandemie sehr deutlich geworden. Viele der offiziell vorhandenen Betten sind wegen des Personalmangels nicht betreibbar. Durch eine konsequente Ambulantisierung muss das Krankenhauspersonal entlastet sowie das gesamte Fachpersonal im deutschen Gesundheitswesen effizienter eingesetzt werden.

Verlässlich gute Versorgungsqualität
In Deutschland werden teilweise Leistungen in Krankenhäusern erbracht, die nicht über die jeweils zur bestmöglichen Leistungserbringung notwendige personelle und apparative Ausstattung verfügen. Erbringen Krankenhäuser medizinische Leistungen, für die sie nicht die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen, kann sich dies nachweislich auf die Behandlungsqualität auswirken. Bislang wird in Deutschland nicht systematisch und flächendeckend festgelegt, welche Krankenhäuser entsprechend ihrer Versorgungsstufe (=Level), welche Leistungen erbringen dürfen. Das wollen wir ändern, damit Patientinnen und Patienten auch wissen, für welche Leistungen der Standort tatsächlich gut ausgestattet ist.

Die wirtschaftlichen Probleme
Trotz im internationalen Vergleich hoher Krankenhausausgaben in Deutschland (2020 wurden 3,4% des BPI für die stationäre Versorgung ausgegeben; zum Vergleich Dänemark: 2,8%, Niederlande: 2%, Schweiz 3,1%) haben viele Krankenhäuser seit längerem wirtschaftliche Probleme. Der Anteil der Häuser, die rote Zahlen schreiben, stieg in den letzten Jahren stark an; für 2023 wird er auf 60-70 Prozent geschätzt. Wichtige Ursachen hierfür sind die aufgrund der zunehmenden Ambulantisierung sinkende Auslastung der Häuser, die sich seit der Corona-Pandemie verstärkt hat und die zu geringen Investitionsmittel der Länder. Die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser hat sich durch die hohe Inflation und die stark gestiegenen Strom und Heizmittelkosten zusätzlich drastisch verschlechtert; nach Schätzungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind aktuell ca. 20% der Häuser insolvenzbedroht. Durch ein Hilfspaket im Umfang von 6 Mrd. Euro hat die Ampel hier bereits gegengesteuert. Durch die Struktur- und Finanzierungsreform müssen die finanziellen Grundlagen der bedarfsnotwendigen Krankenhäuser mittelfristig gesichert werden.

Welche Vision der stationären Gesundheitsversorgung verfolgt die Ampel mit der Reform?
Die Ampel möchte für die Kliniken den Fehlanreiz zu immer mehr Fällen, den so genannten Hamsterradeffekt beenden, denn nicht der Umsatz sollte im Fokus stehen, sondern der Bedarf der Patientinnen und Patienten. Als Ampel-Koalition wollen wir ein System der Krankenhausvergütung schaffen, das eine hohe Qualität der erbrachten Leistungen sicherstellt und gleichzeitig mehr wirtschaftliche, planerische Sicherheit für die Krankenhäuser ermöglicht. Für die Zukunft ist es außerdem wichtig, Anreize zur sektorenübergreifenden Versorgung zu schaffen, also zur Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzt*innen in den Praxen und der Ärzteschaft in Kliniken, um das Gesundheitspersonal zu entlasten und flächendeckend Versorgungssicherheit für die Patient*innen in Deutschland herzustellen. Eine am Patientenwohl orientierte Krankenhausstruktur muss gute Qualität bei gleichzeitig guter Erreichbarkeit ermöglichen.

Was wollen wir GRÜNE?
Wir wollen, dass alle Menschen in Deutschland – unabhängig von sozialer Herkunft und Wohnort – Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und bedarfsgerechten Versorgung haben. Dazu sind neben einem verlässlichen und qualitätsorientierten Finanzierungssystem für die Krankenhäuser eine enge Vernetzung mit ambulanten Einrichtungen und ein Schub bei der Digitalisierung nötig. Wir Grüne haben hierzu bereits in der letzten Legislaturperiode eine Reform des Finanzierungssystems gefordert (s. Drucksache 19/27830). Im Koalitionsvertrag haben wir maßgeblich für die entsprechenden Vereinbarungen gesorgt. Die vorliegenden Vorschläge der Regierungskommission entsprechen weitgehend unseren Vorarbeiten und Vorstellungen und bieten eine gute Grundlage für den weiteren Prozess, in dem wir gemeinsam mit den Ländern eine Krankenhausfinanzierungsreform auf den Weg bringen wollen. Unser Ziel ist eine wirksame Reform, bei der die Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten, die Interessen der Beschäftigten, der Abbau von ökonomischen Fehlanreizen und die Effizienz der Versorgung im Mittelpunkt stehen müssen. Es ist klar, dass am Ende von Verhandlungen zwischen Akteuren mit zum Teil sehr unterschiedlichen Vorstellungen immer auch ein Kompromiss steht. Allerdings muss das Ergebnis zukunftsfähig sein und echte Verbesserungen bringen. Deswegen wollen wir verhindern, dass wesentliche Elemente der Reform verwässert werden.

Welchen Zweck erfüllen die Leistungsgruppen?
Mittels bundeseinheitlicher Leistungsgruppen wird sichergestellt, dass die Kliniken über die jeweils erforderlichen technischen und personellen Voraussetzungen verfügen, um möglichst optimale Behandlungsqualität zu gewährleisten. Zugleich sollen Krankenhäuser Leistungsgruppen untereinander tauschen können, um Spezialisierungen zu ermöglichen. Ab dem Jahr 2024 weisen die Länder den Krankenhäusern Leistungsgruppen als Grundlage für die Vorhaltefinanzierung zu, die sich zunächst neben den fünf ergänzenden, fachlich gebotenen Leistungsgruppen der Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Traumatologie, spezielle Kinderund Jugendmedizin und der speziellen Kinder- und Jugendchirurgie an dem NRW-Modell orientieren.

Ein Krankenhaus hat grundsätzlich einen Anspruch auf das leistungsgruppenbezogene Vorhaltebudget, wenn ihm vom Land die entsprechende Leistungsgruppe zugewiesen wurde und die Qualitätskriterien der Leistungsgruppe erfüllt sind. Abweichend hiervon werden den Ländern jedoch vergütungsneutrale Ausnahmetatbestände eingeräumt, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten oder eine Anpassung der Kliniken an die Qualitätsvorgaben zu ermöglichen. Bei Nichterfüllung der Qualitätskriterien erhalten die Krankenhäuser das ungekürzte leistungsgruppenbezogene Vorhaltebudget nur befristet und nur in den Fällen, in denen die Krankenhäuser für die Sicherstellung der Versorgung bedarfsnotwendig sind. Nach Ablauf dieses Zeitraums entfällt der Anspruch auf die Zahlung des leistungsgruppenbezogenen Vorhaltebudgets, sofern die Qualitätskriterien weiterhin nicht erfüllt sind. Zur Weiterentwicklung und genaueren Ausdifferenzierung der Leistungsgruppen mit Qualitätskriterien haben sowohl der Bund als auch die Länder ein Initiativrecht.

Was ändert sich an der Verfügungssystematik?
Das bestehende System der Fallpauschalen (DRGs) wird um fallzahlunabhängige Vorhaltepauschalen ergänzt. Damit wird erreicht, dass erforderliche Strukturen unabhängig von konkreten Fallzahlen vorgehalten werden können. Der ökonomische Fehlanreiz, möglichst viele Leistungen zu erbringen, um die für die Refinanzierung nötigen Mittel aufzubringen, sinkt damit. Perspektivisch wird der Vorhalteteil sachgerecht kalkuliert. Zunächst wird der Vorhalteteil aber einen Anteil von durchschnittlich 60% (inkl. Pflegebudget) ausmachen, die DRG-Vergütung nur noch 40% (statt vorher rund 80%, +ca. 20% Pflegebudget). Das stellt insbesondere für kleinere Krankenhäuser in ländlichen und strukturschwachen Räumen eine Lebensversicherung dar. Darüber hinaus ist ein Zuschlag für koordinierende und vernetzende
Aufgaben durch Universitätskliniken (oder ggf. andere geeignete Versorger) sowie (neben bereits existierenden Sicherstellungszuschlägen) zusätzliche finanzielle Zuschläge in den Bereichen Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung sowie Stroke Unit, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin vorgesehen. Das Vorhaltebudget wird den Krankenhäusern unbürokratisch ausgezahlt.

Was bedeutet das für das Krankenhaus in meinem Wahlkreis?
Die Reform wird die Qualität stärken und transparenter machen sowie falsche ökonomische Anreize überwinden. Sie ist eine Lebensversicherung für viele Häuser vor allem in ländlichen und strukturschwachen Räumen. Insbesondere für ländlichen Räume wird eine neue Form von sektorenübergreifenden Versorgern (Level 1i-Krankenhäuser) ermöglicht. Das sind Häuser, in denen kürzere stationäre Aufenthalte und einfachere Eingriffe sowie auch ambulante Behandlungen stattfinden können. Auch pflegerische Leistungen wie etwa die Kurzzeitpflege können hier angesiedelt werden. Somit bilden diese Krankenhäuser gemeinsam mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften künftig das Herz der regionalen Gesundheitsversorgung. Über den Sommer wird nun gemeinsam zwischen Bund und Ländern ein Gesetzentwurf entwickelt. Der Bundestag berät ab Herbst über den Entwurf. Das Gesetz soll Anfang 2024 in Kraft treten.

Was kostet das?
Die Vorhaltefinanzierung soll aufkommensneutral aus den bisherigen Fallpauschalen umgeschichtet werden, so dass es hier nicht zu Mehrkosten kommen soll. Damit das klappt, müssen die bisherigen Fallpauschalen so um die Vorhaltekosten bereinigt werden, dass keine Doppelfinanzierung erfolgt. Unklar sind die Kosten der Transformation. Hier gibt es bislang keine Festlegungen, durch wen diese zu tragen sind. Denkbar wäre eine Verlängerung des von Kassen und Ländern gemeinsam getragenen Krankenhausstrukturfonds.

Verbessert die Reform die Versorgung?
Eines ist ganz klar: Ziel der Reform ist die Verbesserung der Versorgungsqualität in Deutschland. Wir wollen eine Krankenhausversorgung, die bedarfsgerecht und wohnortnah zugänglich ist sowie ein hohes Maß an Behandlungsqualität aufweist. Patientinnen und Patienten erhalten die richtige Versorgung zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wenn beispielsweise Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung nur in Krankenhäusern behandelt werden, die über die entsprechende Ausstattung und die entsprechenden Erfahrungen verfügen, dann erhöht das die Überlebenswahrscheinlichkeit dieser Menschen. Patientinnen und Patienten sollen dann im Krankenhaus behandelt werden, wenn dies medizinisch notwendig ist und nicht weil das Krankenhaus davon einen ökonomischen Vorteil hat. Wir schaffen Kliniken, in denen Patientinnen und Personal im Mittelpunkt stehen. Mit der Reform wollen wir die Probleme in unserem Krankenhauswesen heilen.

Hilft die Krankenhausreform auch den Krankenhäusern kurzfristig in ihrer wirtschaftlich angeschlagenen Situation?
Die ohnehin wirtschaftlich angespannte Situation vieler Krankenhäuser hat sich durch die Corona-Pandemie und die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verbundenen Energiekostensteigerungen und die Inflation noch weiter zugespitzt. Die Reform der Krankenhausvergütung selbst kann nicht kurzfristig ihre volle Wirkung entfalten, wenngleich sie mittel- und langfristig die Krankenhäuser wirtschaftlich merklich entlasten soll. Um den Krankenhäusern kurzfristig unter die Arme zu greifen, wurden in den vergangenen zwei Jahren zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie Ausgleichszahlungen, Versorgungsaufschläge und Ganzjahresausgleiche für die Krankenhäuser gezahlt. Darüber hinaus haben wir als Ampel-Koalition zur kurzfristigen Entlastung der Krankenhäuser neben der Gas- und Strompreisbremse für die Kliniken 6 Milliarden Euro Unterstützung für 2023 und 2024 eingeplant, die zur weiteren Kompensation der gestiegenen Energiepreise und der Inflation gedacht sind und aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert werden. Wir wollen evaluieren, ob das zur Verfügung gestellte Finanzvolumen ausreicht und prüfen, ob eine Nachbesserung notwendig ist. Darüber hinaus liegt es uns am Herzen, die Krankenhäuser auch bei ihrem Umbau zu mehr Nachhaltigkeit und Energieeffizienz mittelfristig zu unterstützen, um die Abhängigkeit von Gas und Öl drastisch zu reduzieren und Kosten zu sparen. Perspektivisch soll so ein nachhaltiges und klimaneutrales Gesundheitswesen geschaffen werden.

Was bedeutet die Reform speziell für die Geburtshilfe?
Auch für die Geburtshilfe bietet die Reform die Chance zu einer besseren Qualität der Versorgung. Strukturvorgaben sorgen dafür, dass das notwendige Personal auch tatsächlich vorhanden sein muss. Sorgen zur künftigen Erreichbarkeit von Geburtskliniken nehmen wir ernst. Hier sind gute regionale Konzepte notwendig, um die Gesundheit der werdenden Mütter und ihrer Kinder zu schützen und bei Komplikationen eine Behandlung in einem spezialisierten Krankenhaus sicherzustellen. Das Kindeswohl steht hier für uns an erster Stelle.

Was bedeutet die Krankenhausreform für die Pflege?
Durch die Reduzierung der starken ökonomischen Anreize des bisherigen Fallpauschalensystems wird auch das Pflegepersonal merklich entlastet und hat mehr Zeit, sich um die Patient*innen zu kümmern. Was die Finanzierung der Pflegeleistungen anbelangt, bleibt die Ausgliederung des Pflegebudgets aus den Fallpauschalen prinzipiell bestehen. Eine gesonderte Finanzierungsregelung gilt ausschließlich für Level-II-Krankenhäuser: Level-II Krankenhäuser verbinden wohnortnah zumeist allgemeine und spezialisierte ambulante fachärztliche Leistungen mit Akutpflegebetten, in denen Patient*innen z. B. zur Beobachtung und Basistherapie oder nach der Verlegung aus einem Haus der Regel-/Schwerpunkt- oder Maximalversorgung stationär überwacht und gepflegt werden können. Die Leitung kann durch qualifizierte Pflegefachpersonen mit Zusatzqualifikation, z. B. Advanced practice nurses (APN), nach entsprechend zu schaffenden gesetzlichen Regelungen erfolgen. Die Krankenhausreform schafft damit neue Beschäftigungsmöglichkeiten und Perspektiven für Pflegekräfte und macht den Beruf auf diese Weise attraktiver.

Unabhängig von der geplanten Krankenhausreform hat insbesondere das im Dezember 2022 verabschiedete Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) wichtige und vorteilhafte Änderungen in der Pflege zur Folge: Wir Grüne haben viele Jahre für bedarfsgerechte Personalbemessungsverfahren auf den Stationen gekämpft. Eine gute Versorgung der Patient*innen erfordert ausreichendes und qualifiziertes Pflegepersonal. Wir haben mit unseren Ampel-Partnern das Instrument PPR 2.0 in Stufen und als lernendes Instrument eingeführt und sorgen damit für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und für eine Verbesserung der Patient*innenversorgung. Viele Pflegekräfte haben in den letzten Jahren ihren Beruf verlassen, wir wollen möglichst viele von ihnen mit dieser Reform zurückgewinnen.

Wie sieht der weitere Zeitplan der Reform aus?
Auf Grundlage der geeinten Eckpunkte wird das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit Vertreter*innen der Länder über den Sommer einen konkreten Gesetzentwurf erarbeiten, der danach über den Herbst im üblichen parlamentarischen Prozess beraten wird. Die Verabschiedung des Gesetzes ist aktuell für Ende des Jahres 2023 vorgesehen. Spätestens bis Ende 2025 sollen die Länder ihre Krankenhausgesetze ändern und den Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen. Ab 2026 erhalten die Länder das Vorhaltebudget. Danach folgt ein mehrjähriger Konvergenzzeitraum, damit die Krankenhäuser Zeit haben, sich auf das neue Finanzierungssystem einzustellen.

Verbleibt die Planungskompetenz bei den Ländern?
Ja, definitiv. Die Kompetenz für die Krankenhausplanung liegt allein bei den Ländern, denen durch die Reform umfassende Gestaltungsfreiheit zur eigenständigen Standortplanung bleibt. Durch die Zuordnung der Leistungsbereiche kommen auf die Länder jetzt sogar umfassendere planerische Aufgaben zu. Niemand will, dass künftig in Berlin bestimmt wird, wo Krankenhäuser im Schwarzwald, an der Ostsee oder in Düsseldorf stehen. Verbindliche LevelVorgaben als Planungsinstrument gibt es nicht. Darüber hinaus haben die Länder bei der Erarbeitung der Eckpunkte mitgewirkt und werden nun auch an der Erstellung eines Gesetzesentwurfes beteiligt.

Inwiefern erleichtert die Reform den Patient*innen die Orientierung im Krankenhauswesen?
Der Bund wird es den Patientinnen und Patienten künftig erleichtern, die Qualität der Krankenhäuser zu vergleichen. Sie sollen noch einfacher erkennen können, welches Krankenhaus welche Leistungen zu welcher Qualität erbringt. Das war bislang nicht möglich.

Wie sollen sich die Kliniken so schnell auf die Veränderungen einstellen?
Nach der geplanten Verabschiedung des Gesetzes wird den Ländern und den dort ansässigen Kliniken mittels einer Konvergenzphase ausreichend Zeit gegeben, die vorgesehenen Veränderungen umzusetzen. Durch diese mehrjährige Konvergenzphase erhalten die Kliniken Planungssicherheit hinsichtlich ihres jeweiligen Budgets. Nach der geplanten Verabschiedung des Gesetzes müssen die Länder den Kliniken bis spätestens Ende 2025 die Leistungsgruppen zuweisen. Im Jahr 2026 folgt eine für die Krankenhäuser budgetneutrale Auszahlung des krankenhausindividuellen Vorhaltebudgets. Veränderungen in der Rechnungshöhe ergeben sich für die Krankenhäuser in dieser Einführungsphase noch nicht.

Vielen Dank an meinen Kollegen Armin Grau und seine Mitarbeiter*innen für die Ausarbeitung des FAQs!