Juni 26, 2023

FAQ zu Long-Covid, Post-Covid und ME/CFS

Was ist ME/CFS?

Die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine Erkrankung, die meist in Folge einer Infektion auftritt und mindestens sechs Monate anhält.

Betroffene leiden unter chronischer Erschöpfung und einer signifikanten Belastungsintoleranz: schon bei geringer Anstrengung können gravierende Symptome auftreten, darunter Kopf- und Gliederschmerzen, Muskelschwäche, Herz-Kreislauf-Probleme, kognitive Beeinträchtigungen sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Auch Schlaf bringt den Betroffenen dabei keine wirkliche Erholung und Regeneration.

Ein nicht geringer Anteil der Betroffenen ist längerfristig nur eingeschränkt arbeitsfähig oder sogar vollständig arbeitsunfähig und pflegebedürftig.

Tritt ME/CFS nur nach einer Corona-Infektion auf?

Nein, ME/CFS kann auch in Folge anderer Infektionen, z.B. mit dem Epstein-Bar-Virus (Pfeiffersches Drüsenfieber), auftreten und wurde von der WHO bereits 1969 in die Internationale Klassifikation der Krankheiten aufgenommen.

Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich die Häufigkeit von ME/CFS in Deutschland nach Einschätzung von Expert*innen jedoch etwa verdoppelt. Daher kommt der Krankheit nun mehr Aufmerksamkeit zu.

Was ist das Long-Covid-Syndrom? Was ist das Post-Covid-Syndrom?

 Von Long-Covid bzw. Post-Covid spricht man, wenn Krankheitssymptome mehr als vier Wochen (Long-Covid) oder sogar drei Monate (Post-Covid) nach einer Infektion anhalten. Die Beschwerden können stark variieren und nach Expert*innenaussage bis zu 200 Formen annehmen. Die chronische Erschöpfung und auch ME/CFS als deren stärkste Ausprägung gehören mit dazu.

Wie unterscheiden sich Post-Covid und ME/CFS?

Eine ME/CFS-Erkrankung, die in Folge einer Corona-Infektion auftritt, ist eine besonders schwere und lang (sechs Monate) anhaltende Form des Post-Covid-Syndroms.

Der Leidensdruck der Patient*innen, die ME/CFS als Form von Post-Covid entwickeln, ist enorm: ca. 50 % sind erwerbsunfähig, gut ein Viertel kann das Haus nicht mehr verlassen (siehe Stellungnahme Prof. Carmen Scheibenbogen).   

Wie wahrscheinlich ist eine Erkrankung nach einer Covid-Infektion?

Insgesamt ist die Zahlen- und Datenlage bei dieser Frage bislang sehr dünn, auch dazu braucht es deshalb Forschung.

Das Post-Covid-Syndrom, d.h. Krankheitssymptome, die mehr als drei Monate nach der Infektion anhalten, tritt nach ersten Einschätzungen bei 5-10% der Infizierten auf.

Warum kommt es im Zusammenhang mit ME/CFS oft zu Fehldiagnosen?

Die Beschwerden von ME/CFS-Betroffen werden nach deren Schilderungen sowohl von Ärzt*innen als auch im privaten Umfeld oftmals als psychosomatisch abgetan. Das liegt zum einen an der komplizierten Abgrenzung zu anderen Krankheiten, zum anderen an der fehlenden Aufklärung der Ärzt*innenschaft. Außerdem lassen sich so genannte „Biomarker“ von Mediziner*innen bisher nur schwer im Körper nachweisen. Blutbild und Organfunktion scheinen bei vielen Betroffenen erst einmal einwandfrei.

Angesichts der hohen Zahl weiblicher Patient*innen liegt auch ein Gender-Bias nahe.

Aktivierende Reha-Maßnahmen, die oft verschrieben werden, können zudem kontraproduktiv sein: Durch körperliche oder geistige Betätigung verstärken sich mitunter die Symptome (Post-Exertional Malaise). Werden Reha-Maßnahmen abgelehnt, haben Betroffene häufig allerdings keinen Anspruch auf Krankengeld oder Pflegeleistungen.

Was hat die Ampelkoalition bisher gemacht, um Aufmerksamkeit und Wissen bezüglich ME/CFS zu stärken?

Wir arbeiten in Gesprächen mit den Krankenkassen und den Ärztekammern darauf hin, dass eine Aufklärung über ME/CFS fester Bestandteil der Weiterbildungs-Curricula wird.

Um Fehldiagnosen künftig zu verhindern, haben wir den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das oberste Selbstverwaltungsorgan im Gesundheitswesen, per Gesetz dazu verpflichtet, bis Ende 2023 klare Diagnosekriterien festzulegen. Außerdem muss der G-BA bis Ende 2023 eine flächendeckende Versorgung für Betroffene nachweisen – auch das haben wir per Gesetz festgelegt.

Zudem wurden in den Haushalten 2022 und 2023 ingesamt über 22 Millionen Euro für Forschung rund um ME/CFS und Long-Covid zur Verfügung gestellt. Es ist uns wichtig, dass diese Förderung auch in den kommenden Haushalten fortgeführt wird, denn die Forschung braucht Zeit und verlässliche Zusagen.

Wie steht es um die Versorgung von Post-Covid- und ME/CFS-Patient*innen?

Schwerpunktzentren zu ME/CFS existieren derzeit nur in Berlin und Bayern. Post-Covid-Ambulanzen sind an vielen Unikliniken mit geringen Kapazitäten ausgestattet. Oftmals sind lange Wartezeiten die Folge.

Auch niedergelassene Ärzt*innen mit Kassenzulassung, die eine Diagnostik von ME/CFS durchführen, sind bislang rar gesät und für Betroffene schwer erreichbar. Da die Wartezeiten auf Termine hier vielfach lang sind, weichen einige auf Ärzt*innen ohne Kassenzulassung aus und bezahlen dafür häufig viel Geld aus eigener Tasche.

Was hat die Ampelkoalition bisher getan, um die Versorgungslage von Post-Covid- und ME/CFS-Patient*innen zu verbessern?

Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz wird der Gemeinsame Bundesauschuss verpflichtet, bis Ende 2023 ausreichende Versorgungsstrukturen aufzubauen und einheitliche Diagnosekriterien festzulegen. Zudem haben wir eine Telefonhotline für Erkrankte eingerichtet.

Eine umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung hinsichtlich möglicher Versorgungslücken ist in Planung und wird vom Bundesgesundheitsministerium finanziell unterstützt.

Was hat die Ampelkoalition bisher getan, um die Forschung zu ME/CFS zu unterstützen?

Die Ampelkoalition stellt langfristige und kontinuierlich Forschungsgelder bereit (22 Millionen Euro in den Jahren 2022 und 2023). Wir haben die Nationale Klinische Studiengruppe (NKSG) zu Post-Covid und ME/CFS eingerichtet, die allein in den Jahren 2022 und 2023 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit ca. zehn Millionen Euro gefördert wird. Geleitet von Prof. Carmen Scheibenbogen, die an der Charité bereits wichtige Forschungsbeiträge zu dem Thema geleistet hat, untersucht die Gruppe vor allem die Rolle sogenannter Autoantikörper bei der Erkrankung. 

Auch durch die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung baut sich ein Forschungsnetzwerk zum Themenkomplex ME/CFS auf. Bereits jetzt werden ein Drittel aller Forschungsanträge vom BMBF bewilligt – eine weit höhere Quote als bei anderen Themen.

Was planen wir Grünen noch?

Wir sind überzeugt, dass bei der Entwicklung eines Medikaments gegen ME/CFS auch die Pharma-Industrie ihrer Verantwortung gerecht werden muss. Medizinisch-pharmazeutische Start-ups wollen wir auf die Möglichkeit aufmerksam machen, Forschungsförderung über die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SprinD) zu erhalten. Außerdem sollten die Unternehmen auch aus eigenen Mitteln in Forschung und Medikamentenentwicklung investieren.

Für uns Grüne ist es zudem ein zentrales Anliegen, Beschulungsangebote für Kinder zu schaffen, die aufgrund einer ME/CFS-Erkrankung nicht oder nur sehr unregelmäßig am Schulunterricht teilnehmen können. Es darf nicht zu einer doppelten Benachteiligung kommen, bei der Gesundheits- und Bildungschancen gleichermaßen gemindert werden. Hier liegt viel Verantwortung auch bei den Ländern.

Warum ist das Thema von aktueller Relevanz?

Die Unionsfraktion hat am 14. März (Drs. 20/5983) und am 9. Mai 2023 Anträge (Drs. 20/6707) zu dem Thema eingebracht. Darin fordert sie eine stärkere finanzielle Unterstützung der Therapieforschung zu Post-Covid und erinnert an die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, zusätzliche 100 Millionen Euro in seinem Haushalt zur Verfügung zu stellen. Lauterbach hatte beim Haushaltsausschuss darum gebeten, diese Summe allein für Versorgungsforschung im Haushalt des BMG einplanen zu können.

Die Union fordert zudem die Forschung zum sogenannten Post-Vac-Syndrom auszubauen, eine zentrale Koordinierungsstelle zu Post-Covid und ME/CFS einzusetzen, Aufklärungskampagnen zu starten sowie passgenaue Therapie- und Rehaangebote zu entwickeln.

Die AfD hat ebenfalls zwei Anträge eingebracht, die zusammen mit der ersten Unionsinitiative am 25. Mai in erster Lesung beraten wurden. Für Bündnis 90/Die Grünen sprachen Linda Heitmann und Laura Kraft zu dem Thema. Auch Kathrin Göring-Eckardt und Maria Klein-Schmeink setzen sich mit der Thematik in ihrer Arbeit intensiv auseinander.

Was ist das Post-Vac-Syndrom?

Trotz ihrer hohen Schutzwirkung können in seltenen Fällen auch Impfungen Symptome auslösen, die denen von Long- oder Post-Covid ähneln. Die Union bemängelt, dass diese Fälle bislang nicht systematisch erfasst und wissenschaftlich aufgearbeitet würden.

Uns ist wichtig, nicht zu negieren, dass es diese Fälle gibt. Die Betroffenen sollen selbstverständlich genauso die Möglichkeit haben, Versorgungsstrukturen und Therapiemöglichkeiten, die derzeit entstehen, in Anspruch nehmen zu können.

Wie gehen wir als Grüne mit der Kritik der Union um?

Insgesamt ist uns daran gelegen, mit allen Fraktionen gemeinsam konstruktiv an dem Thema zu arbeiten, Betroffene ernst zu nehmen und ihre vielfältigen Problemlagen möglichst gut zu erfassen.

Die Union stellt teilweise allerdings Forderungen auf, die schlichtweg nicht in der Kompetenz politischer Akteur*innen liegen. Sie weckt damit bei Betroffenen vielfach falsche Erwartungen und Hoffnung auf schnelle und für alle Betroffenen passende Lösungen.

Wir weisen deshalb immer wieder darauf hin, dass die Union bewusst Tatsachen und Realitäten verkennt und versucht, ein gesundheitspolitisches Thema zur Gewinnung von Wähler*innenstimmen zu nutzen.

Insbesondere die Forderungen, (Reha-) Therapiemaßnahmen zu entwickeln und medizinische Lehrinhalte anzupassen, sind als blanker Populismus zu bezeichnen.  Die Politik kann in diesen Bereichen keine bindenden Regeln treffen, sondern lediglich im Dialog mit den zentralen Stakeholdern auf Änderungen hinwirken – und genau das tun wir!

Statt unrealistische Erwartungen zu wecken und mit dem Leid der Betroffen zu spielen, wollen wir lösungsorientiert und parteiübergreifend Erfolge für die Betroffenen erzielen!